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Kienzle

Den Namen Kienzle könnte man von Uhren her kennen und vielleicht erinnert sich noch jemand an die Ära der Parkuhren, die häufig den Kienzle-Schriftzug trugen. Dass es Kienzle in den 70er Jahren gelang, hinter Nixdorf der zweitgrößte deutsche Computerhersteller zu werden, ist hingegen weitgehend vergessen.

Die Ursprünge des Familienunternehmens lagen in der Uhrenherstellung. Der Stammsitz war in Schwenningen. 1928 wurde dann die Kienzle Apparate GmbH im benachbarten Villingen als Tochterunternehmen gegründet. Es stellte zunächst Taxiuhren und Fahrtenschreiber her. Nach dem zweiten Weltkrieg kamen u. a. Parkuhren und Anzeigen für Zapfsäulen hinzu. 1948 wurde das Portfolio um Büromaschinen in Form von Addier- und Buchungsmaschinen erweitert – zunächst elektromechanisch, später zu wachsenden Anteilen mit elektronischen Komponenten ausgestattet.

Den ersten Computer der Mittleren Datentechnik brachte Kienzle dann im Jahr 1966 auf den Markt. In der Klasse 800 steckte eine Elektronik von Heinz Nixdorfs „Labor für Impulstechnik“. Man kann daher davon ausgehen, dass das Gerät technologisch mit den damals aktuellen Systemen von Wanderer und Ruf verwandt war, deren Steuerung aus der gleichen Quelle stammte.

Bereits 1968 kam mit der Klasse 6000 eine neue Generation auf den Markt. Auch dies ein Magnetkontencomputer, diesmal aber mit einer Zentraleinheit von Texas Instruments und mit einer modularen Auslegung, durch die der Kunde sein System nach seinen individuellen Anforderungen zusammenstellen konnte.

Mitte der 70er Jahre wurde das Geschäft mit Computern zusehends schwieriger. Immer mehr Anbieter drängten auf den Markt und die aufkommende Mikroelektronik ließ die Preise fallen. Einige Anbieter verschwanden daraufhin wieder vom Markt. Kienzle konnte die defizitäre Computersparte durch den weiterhin erfolgreichen Apparatebau querfinanzieren.

In diese Zeit fiel die Entwicklung der Klasse 9000, die als modulares System neue Geschäftsfelder erschließen sollte. 1979 kam mit der Klasse 9066 eine Mehrplatzanlage auf den Markt. 1980 folgte die Klasse 9055 (ABC-Computer) als Einzelplatzsystem mit Magnetplatte. Kienzle hatte für die neuen Modelle das Betriebssystem POBS entwickelt. Zuvor waren die Systeme mit dem von Texas Instruments zugekauften MTOS ausgestattet gewesen. Die Entscheidung für ein eigenes Betriebssystem erwies sich als problematisch: Das Programm war fehleranfällig und führte dazu, dass die Kundschaft sehr zurückhaltend auf die neuen Computer reagierte.

Kienzle suchte nun einen Partner, um die immer kostspieligere Computerentwicklung stemmen zu können. So kam es Anfang 1981 zur Übernahme durch die Mannesmann AG. Mannesmann war ursprünglich Hersteller von Röhren und hatte sich über die Jahre – überwiegend durch Zukäufe – in andere Geschäftsbereiche diversifiziert. Mit im Portfolio war mit Mannesmann-Tally ein Druckerhersteller, der nun unter die Regie von Kienzle gestellt wurde. Zunächst war geplant, dass Kienzle weitgehend autark bleiben sollte. Angesichts weiterer Verluste im Jahr 1982 übernahm Mannesmann das Unternehmen vollständig. Die Familie Kienzle schied damit aus dem Unternehmen aus. Ab 1985 hieß der Unternehmensteil dann Mannesmann Kienzle GmbH.

Am Ende erwies sich die Klasse 9000 für die nächsten Jahre als sehr erfolgreich, mit über 20000 Systemen bis 1989. Das eigene Betriebssystem wurde jedoch aufgegeben.

Ab Mitte der 80er Jahre arbeitete Kienzle an einem Unix-basierten Computersystem, das dann 1989 als 2000er-Familie auf den Markt kam. Es traf dort auf diverse internationale Schwergewichte mit vergleichbaren Systemen, beispielsweise Digital Equipment, Sun oder Hewlett Packard. Während die Geschäfte auf dem Heimatmarkt noch einigermaßen stabil waren, brach das internationale Geschäft immer mehr ein.

Ähnlich erging es auch dem großen Mitbewerber Nixdorf, der in der Konsequenz 1989 an Siemens verkauft wurde. Mannesmann Kienzle begab sich 1990 ebenfalls auf die Suche nach einem starken Partner. Es waren diverse im Gespräch, bis sich am Ende Fujitsu und DEC als wahrscheinlichste Varianten abzeichneten. Am Ende ging der Zuschlag an DEC.

Im Januar 1991 wurde die Firma Digital Kienzle GmbH & Co. KG gegründet. Kurz darauf geriet jedoch auch DEC in schwierige Zeiten. Mehrere Restrukturierungen führten dazu, dass die Mitarbeiterzahl in Deutschland immer weiter zurückging. DEC konzentrierte sich auf Unix-Systeme auf Basis des Alpha-Prozessors und benötigte daher keine europäischen Entwicklungs- und Fertigungskapazitäten mehr.

1994 wurde die DITEC als Mitarbeitergesellschaft gegründet, in die die Abfindungen von 1500 ehemaligen Beschäftigten einflossen. Leider hatte auch das keinen nachhaltigen Erfolg. Etliche Restrukturierungen und Entlassungen später war nur noch ein Zehntel der Mitarbeiter übrig und das Unternehmen meldete 2001 Insolvenz an.

 

Firmengeschichte

1928Gründung der Kienzle Apparate GmbH
1954verstirbt der Firmengründer Dr. Herbert Kienzle. Das Unternehmen geht an seine drei Kinder Jochen, Herbert und Margit (verh. Furtwängler). Die beiden Brüder sind auch Teil der Geschäftsführung.
1966kommt der Magnetkontencomputer der Klasse 800 auf den Markt.
1968wird auf der Hannovermesse die Klasse 6000 präsentiert.
1971Das neue Terminalsystem 3000 ist vor allem auf Kunden im Bankenumfeld optimiert.
1972bekommt die Klasse 6000 einen Nachfolger namens „System 6100“
1975kommt die EFAS 2000 auf den Markt. EFAS steht für Elektronisches Fakturierungs- und Abrechnungssystem. Es diente vor allem der Ablösung mechanischer Vorläufer.
1974hat Kienzle bei Computern der Mittleren Datentechnik in Westdeutschland einen Marktanteil von ca. 15% und ist damit hinter Nixdorf mit ca. 25% Marktanteil die Nummer zwei.
1980Kienzle erwirtschaftet einen Umsatz von 725 Mio. DM und hat über 5000 Mitarbeiter in den Standorten Villingen, Oberndorf, Mönchweiler und Bonndorf. Die Apparate machen nur noch 40% des Umsatzes aus, der Rest entfällt auf die Computersparte.

 

Links / Quellen:

Kienzle: Mittlere Datentechnik - made in Germany (Beitrag von Armin Müller aus der Zeitschrift "Zeithistorische Forschungen", pdf)

Kienzle versus Nixdorf (Beitrag von Armin Müller aus "Westfälische Zeitschrift 162, pdf)

Kienzle in Oberndorf a.N.

Beiträge des Geschichts- und Heimatvereins Villingen e.V.

Kienzle Apparate – Chronik eines Niedergangs (Annemarie Conradt-Mach)

Von Taxametern, Fahrtschreibern und Computern (Herbert Ackermann)