Rechenhilfsmittel

Rechnen mit Stift und Papier

Das einfachste Rechenhilfsmittel unserer Zeit hat jeder bereits in der Grundschule erlernt: Man notiert Zwischenergebnisse und kann so jede Rechenaufgabe auf Teilschritte reduzieren, für die einfache Addition, Subtraktion und das kleine Einmaleins ausreichen. Allerdings waren Papier, Papyrus oder Tierhaut als Grundlage für Notizen früher zu teuer, so dass man notgedrungen darauf verzichtete und nach anderen Hilfsmitteln suchte.

In unseren Breiten diente dazu eine Unterlage mit mehreren waggrechten Strichen und Gegenstände (Steine oder Münzen), die man auf und zwischen diese Linien legen konnte. Eines der ersten deutschsprachigen Mathematik-Lehrbücher (1518) befasste sich insbesondere mit diesem "Rechenen auff der Linihen", was auch der Buchtitel war. Der Verfasser war Adam Ries (1492 oder 1493 - 1559), der bis heute gerne noch redensartlich bemüht wird - wer eine Aussage "nach Adam Riese" trifft, will damit ausdrücken, dass er nachgerechnet hat. Adam Ries veröffentlichte 1522 ein zweites Buch ("Rechenung auff der linihen und federn"), in dem er auch das Rechnen mit unserem heutigen Zahlensystem beschrieb und das bis ins 17. Jahrhundert über 100 mal neu aufgelegt wurde.

Die wohl älteste mechanische Rechenhilfe ist der Abakus. Verschiebbare Kugeln repräsentieren die Ziffern einer Zahl - Addition und Subtraktion werden einfach durch Verschieben von Kugeln durchgeführt, den Übertrag erledigt man von Hand.

Mathematik durch Geometrie betreibt man mit Proportionalwinkeln oder -zirkeln. Zahlen werden hier durch Strecken repräsentiert. Das gleiche Prinzip verfolgt auch der Rechenschieber, allerdings kann hier durch eine logarithmische Skala mittels einer Streckenaddition multipliziert werden.

Eine weitere naheliegende Rechenhilfe ist im Zeitalter des Taschenrechners etwas in Vergessenheit geraten: Tabellen mit vorberechneten Produkten oder Quotienten, später auch mit trigonometrischen Funktionen oder Logarithmen.

Rechnen auf den Linien und der Abakus

Man nehme eine beliebige Grundlage und versehe diese mit vier waagrechten Strichen. Das kann eine Tierhaut sein, ein Brett oder Kreidestriche auf dem Boden. Die unterste der Linien hat die Wertigkeit 1, die zweite die Wertigkeit 10, dann 100 und danach 1000. Der Zwischenraum zwischen der 1er- und der 10er-Linie hat die Wertigkeit 5, der zwischen der 10er und der 100er die Wertigkeit 50 und so weiter.

Nun werden noch Steinchen oder Münzen benötigt, die man auf oder zwischen den Linien platzieren kann, und schon ist das Rechenhilfsmittel komplett. Alle Münzen auf der Grundlage werden gemäß Ihrer Wertigkeit zusammengezählt und so erhält man die dargestellte Zahl. Addiert wird durch hinzulegen von Münzen, subtrahiert durch wegnehmen. Dabei ist zu beachten, dass man Überträge von Hand durchführt. Ergeben also bei der Addition die Münzen auf der 1er-Linie zusammen mit denen im Zwischenraum darüber (5er) einen Wert von 10 oder mehr, werden Münzen der Wertigkeit 10 weggenommen und auf der 10er-Line eine Münze hinzugefügt.

Man kann deutlich erkennen, dass einem diese Art des Rechnens keine Arbeit abnimmt. Sie hat aber den Vorteil, dass man die Rechnerei "mechanisiert". Nach langjähriger Übung funktionieren die Grundrechenarten sehr schnell und quasi automatisch, also ohne drüber nachzudenken.

Abakus - chinesischer Suan Pan (Dargestellte Zahl: 639)

Der Abakus funktioniert im Grunde genauso wie das Rechnen auf den Linien, allerdings wird anstelle von Münzen mit Kugeln gerechnet und diese werden nicht frei platziert, sondern sind verschiebbar auf Stäben angeordnet, die ihrerseits nebeneinander in einem Rahmen sitzen.

Die Ursprünge des Abakus sind nicht genau bekannt. Es gibt Vermutungen, daß er auf Madagaskar oder in Zentralasien entstand. Er verbreitete sich auf jeden Fall zunächst in Asien und erreichte durch Rückkehrer von den Kreuzzügen im 12. und 13. Jahrhundert auch Europa. Dort wehrte sich jedoch die Kirche gegen solche heidnischen Einflüsse und konnte zumindest den Abakus fernhalten. Die arabische Zahlenschreibweise setzte sich trotzdem durch.

Regional entstanden verschiedene Ausprägungen des Abakus. Allen gemein sind senkrechte Stäbe oder Schlitze, und dort verschiebbare Kugeln oder Knöpfe. Jede dieser Spalten steht für eine Ziffer, ganz rechts die einwertige, links daneben die Zehner, Hunderter, Tausender etc.

Suan Pan

Der Suan Pan wird in China bis heute verwendet. Seine Stäbe sind durch einen horizontalen Steg in einen oberen und einen unteren Bereich geteilt. Dabei sitzen oben jeweils zwei, unten jeweils fünf Kugeln. In der Ausgangsposition sind die oberen Kugeln alle am oberen Rand, die unteren am unteren Rand.

Wird eine der unteren Kugeln zum Trennungssteg geschoben, zählt sie eins. Jede der oberen Kugeln zählt fünf. Jede Spalte kann somit Werte bis 15 aufnehmen, obwohl maximal der Wert 9 benötigt wird. Bei manchen Rechenverfahren ergibt sich jedoch eine sinnvolle Verwendung der Überbesetzung.

Soroban

In Japan wird seit dem 2. Weltkrieg eine abgespeckte Variante des Suan Pan verwendet, die auf die Überbesetzung der Spalten verzichtet.

Der grundlegende Aufbau ist gleich geblieben, oben befindet sich jedoch nur noch eine Kugel mit dem Wert fünf, unten sind vier Kugeln mit dem Wert eins - zusammen ergibt sich also neun. Diese Anordnung findet sich auch schon bei Abakussen, die im römischen Reich gebräuchlich waren. Hier waren es jedoch nicht Kugeln auf Stäben, sondern Metallknöpfe in Nietenform, die in Schlitzen einer Bronzeplatte bewegt wurden.

Stschoty

In Russland wird auf die Zweiteilung des Abakus verzichtet. Jede Spalte enthält zehn Kugeln, die mittleren beiden sind farbig gekennzeichnet. Das vereinfacht viele Rechnungen, der aktuell eingestellte Wert ist dafür nicht so schnell zu überblicken.

Eine weitere Besonderheit ist, dass der Stschoty waagerecht gehalten wird. Die niederwertigste Stelle ist dabei vorn.

Tipp zum Weiterlesen: So geht's - Rechnen mit dem Abakus

Tafeln und Tabellen

Rechentabelle (eigene Darstellung)

Eine der ältesten Vereinfachungen beim Rechnen besteht darin, die Ergebnisse immer wiederkehrender langwieriger Berechnungen einmal durchzurechnen und in einer Tabelle zu notieren. In Zukunft kann man sich die Rechnerei dann sparen und die Ergebnisse direkt nachschlagen.

Wurden Rechentabellen ursprünglich meist selbst für den eigenen Gebrauch gefertigt, ergaben sich durch die Erfindung des Buchdrucks ganz neue Perspektiven. Für alle möglichen Berufssparten entstanden ganze Tabellenbücher. Kaufleute konnten z.B. nachschlagen, wieviel eine bestimmte Stückzahl eines Produkts bei vorgegebenem Einzelpreis kostet. Allgemeine Tabellen enthielten Produkte oder Quotienten, mathematische waren mit vorberechneten Werten für Sinus, Cosinus, Logaritmen und die jeweiligen Umkehrfunktionen ausgestattet.

Bei mathematischen Funktionen enthielten die Tabellen die Funktionswerte für Parameter in einer bestimmten Schrittweite. Lag der gesuchte Parameter zwischen zweien dieser Schritte, konnte eine Näherung per linearer Interpolation durchgeführt werden, d.h. man ging davon aus, dass der Funktionsgraph zwischen den beiden nächsten Tabellenwerten geradlinig verläuft.

Tipp zum Weiterlesen: So geht's - Rechentabellen

Napierstäbchen

Eine außergewöhnliche Form der Rechentabelle erfand der schottische Mathematiker John Laird Napier of Merchiston (1550-1617). Er schrieb jede der Zahlenreihen des kleinen Einmaleins untereinander auf Holzstäbchen. Einer- und Zehnerstellen jeder Zahl trennte er dabei durch eine diagonale Linie.

Man konnte nun eine beliebige mehrstellige mit einer einstelligen Zahl multiplizieren, indem man die zu den Ziffern der mehrstelligen Zahl gehörenden Stäbchen nebeneinanderlegte, die Zeile mit dem gewünschten Multiplikator suchte und dann die jeweils nebeneinanderliegenden Zehner- und Einerstellen addierte.

Rechenlineale und Rechenschieber

Zwei Holzleisten mit Markierungen im immer gleichen Abstand können sehr einfach zum Addieren verwendet werden. Da mit dieser Methode normalerweise nur ein recht kleiner Zahlenbereich abgedeckt werden kann, ohne daß die Leisten unhandlich werden, eignet sie sich vor allem für Serienadditionen, bei denen einer der beiden Summanden immer gleich bleibt. Dann müssen die Leisten nur einmal in Position gebracht werden und die Ergebnisse können direkt abgelesen werden.

Interessanter wird die Anlegemethode durch die Entdeckung des Logarithmus durch den schottischen Mathematiker John Laird Napier of Merchiston (1550-1617), dem auch die Napierstäbchen zu verdanken sind.

Der Logarithmus hat die Eigenschaft, dass die Summe der Logarithmen zweier Zahlen gleich dem Logarithmus des Produkts dieser Zahlen ist. Als Formel ausgedrückt ist also LOG(A)+LOG(B)=LOG(AxB). Somit kann man zwei Lineale mit logarithmischer Skala aneinanderlegen und erhält als Ergebnis nicht die Summe sondern das Produkt der Zahlen. Das Ergebnis ist auf etwa 2 Stellen genau. Für viele Anwendungsfälle genügt das und so entwickelten sich bald Rechenschieber, bei denen die beiden Skalen verschiebbar in einem Gerät zusammengebaut sind. Bis zur Einführung des Taschenrechners waren Rechenschieber sehr beliebt.

Griffeladdierer

Griffeladdierer: Addiator Maximator (1920er Jahre), Otto Meuther o m Original (1960er Jahre)

Griffeladdierer - auch Zahlenschieber genannt - sind die wohl einfachsten mechanischen Rechenhilfsmittel, die eine Ausgabe des Ergebnisses in "Klartext" liefert. Sie wurden von ca. 1900 bis 1980 hergestellt.

Der obere Bereich des rechts abgebildeten Griffeladdierers mit dem großen Minuszeichen am linken Rand dient dazu, Zahlen von der eingestellten Zahl abzuziehen. Darunter steht das Ergebnis, falls es positiv ist. Der untere Bereich mit dem großen Pluszeichen am linken Rand dient der Voreinstellung des ersten Summanden bzw. der Addition von Zahlen. Darunter steht das Ergebnis, falls es negativ sein sollte. Beim links abgebildeten Griffeladdierer wird mit der Vorderseite addiert, mit der (nicht sichtbaren) Rückseite subtrahiert.

Oben am Gerät kann ein Griff herausgezogen werden, der die Anzeige auf Null zurückstellt.

Tipp zum Weiterlesen: So geht's - Griffeladdierer