Dem Flop-Gerede zum Trotz stieg die Zahl der Btx-Nutzer stetig, aber lange nicht so explosiv, wie Diebold das prognostiziert hatte, ähnlich euphorische Prognosen sind ja heute wieder sehr in Mode gekommen.
Computertechnik war früher für Privatleute fast unerschwinglich, aber für die geschäftliche Nutzung war Btx eine äußerst preiswerte Alternative. So schreibt die Computerwoche 1987: "Der Schwerpunkt des Btx-Einsatzes liegt in der Bundesrepublik heute im geschäftlichen Bereich. Hier wird Btx hauptsächlich zur preiswerten Datenkommunikation für Bestellungen, Buchungen, Reservierung, Datenabfragen und Datenerfassung, aber auch für den Austausch von Kurzmitteilungen genutzt." Das war zwei Jahre bevor Tim Berners-Lee im März 1989 seinen ersten Vorschlag für "das Web" machte.
Das Elektronische Telefonbuch konnte seit 1984 als Bundesadressbuch genutzt werden. Die Wirtschaftsdatenbanken von GENIOS waren seit 1985 in Btx benutzerfreundlich zu recherchieren. TELEKURS startete im Juni 1988 in Btx mit Realtime Börsenkursen weltweit. Die Lufthansa bot ab November 1990 den Weltflugplan mit Ankunfts-/Abflugtafeln in Echtzeit an. Telebuch hatte im Februar 1991 140.000 Bücher in der Datenbank, drei Jahre vor Gründung von Amazon. Bei TeleCd konnte man 1991 Musikalien online recherchieren und bestellen. Die Btx-Fahrplanauskunft ersetzte im März 1992 schon 200 Beamte.
Der Btx-Staatsvertrag verbot der Bundespost die Werbung für Btx mit diesen Spitzenangeboten. Daher startet 1992 das Btx-Marketing der 1&1 TelekommunikationsGmbH mit Flyern in der Computerpresse: "Hier sind 60 von 3000 hervorragenden Angeboten in Btx". Die Leser kannten beruflich den Nutzen von Onlineanwendungen und wollen auch privat davon profitieren.
1993 wird, für die Benutzer fast unbemerkt, die gesamte Hardware und software im Btx-System komplett erneuert und dafür der unglückliche Name Datex-J kreiert.
Btx ist weltweit über jeden Telefonanschluß erreichbar. 1982 fand sogar eine redaktionelle Transatlantiküberquerung statt, als ein Aktivist seine Reiseberichte aus USA online ins System stellte. Im gleichen Jahr in Brasilien überwies der Erfinder des Onlinebanking Alfred Richter 10 Mark an Siegfried Regenberg von Quelle, und der zeigte online, daß das Geld sofort auf seinem Konto gutgeschrieben war. Direktverbindungen von Btx zu den Systemen in Frankreich, der Schweiz, Österreich und in Benelux wurden nacheinander aktiviert. So hat ein französischer Kollege via Btx und Teletel alias Minitel sein Bankkonto in Frankreich kontrolliert. 1993 gab es in Europa 18 Btx-Systeme mit 8 Millionen Teilnehmern.
Kommunikation in jeder Form wurde schrittweise realisiert: eMail seit 1977, danach Telex, Telefax, Telebrief, Cityruf und SMS-Nachrichten an D1 und D2; d.h. ein Btx-Loewe-Fernseher von 1984 konnte auch faxen und funken.
Fernseher, Multitels, Btx-Telefone, Set-Top-Box (Siemens Btx-TV-Set), Commodore, Amigas, Apples und PCs, viele Geräte führten zu Btx. Aber nur der inzwischen erschwinglich und heute spottbillig gewordene PC war so flexibel, daß auch der Internet-Zugang integriert werden konnte. Der kostete 1993 ohne Telefonkosten komplett 145 Mark pro Monat. Acht Monate nach Start des Netscape Navigator 1.0 öffnete T-Online im August 1995 den Btx-Nutzern mit Netscape 1.0 das Internet und verdoppelte damit schlagartig die Zahl der deutschen Internet-Nutzer auf rund 2 Millionen.
Optisch (HTML-Texte mit Download von bunten Bildern) wie inhaltlich war damals das Angebot noch dürftig. Schließlich war DER SPIEGEL im Oktober 1994 weltweit das erste redaktionell betreute Nachrichtenmagazin "im Netz". Aber für den erfahrenen Btx-Nutzer war das Internet "das selbe in Grün", und wer seinen Fahrplan, Flugplan, seine Datenbank und seine Versandhandelsangebote im Rechnerverbund anbot, für den war der Schritt ins Internet nur eine technische Umstellung.
Nach fünf Jahren wird das "Surfen", d.h. das ziellose Umherirren im Netz, langsam langweilig. Ein paar Tageszeitungen für das gleiche Geld sind ein wesentlich bequemerer und schnellerer Weg zur "nicht gesuchten" Information. Die gezielte Informationssuche, die Kommunikation und die Abwicklung von Transaktionen (Bankgeschäfte, Bestellungen usw.) sind die eigentliche Domäne des Internets, allerdings ist unklar, was daran Revolutionäres sein soll.
Spannend bleibt, wie die Geburtsfehler des Internets künftig behoben werden: Zum einen die Nutzeridentifikation, Voraussetzung für gültige Rechtsgeschäfte, und zum zweiten das Micropayment, d.h. die Online-Bezahlung von Kleinbeträgen, längerfristig die Voraussetzung für die Refinanzierung der "kostenlosen" Internetangebote. Für einen geschlossenen Onlinedienst wie Btx kein Thema. Nach einigen Verständnisschwierigkeiten wurde die Nutzeridentifizierung in Btx auch vor Gericht anerkannt. Das Inkasso von Seitenpreisen, später erweitert um den Zeittakt, war schon Bestandteil der Urkonzeption von VIEWDATA. 1996 betrug das Gesamtinkasso in Btx 100 Millionen Mark. Zum Jahresende 1999 wurde es eingestellt und das bereits fertig ausgetestete analoge Inkasso für Internetangebote über die Telefonrechnung wurde gestoppt. Mit der marktbeherrschenden Stellung begründeten die Gerichte einen Kontrahierungszwang auch für unseriöse Anbieter; den damit verbundenen Aufwand und Ärger wollte sich T-Online ersparen.
Damit ist das Kapitel Bildschirmtext zum Jahrtausendwechsel praktisch abgechlossen worden. Mit Ausnahme von geschäftlichen Anwendungen in geschlossenen Benutzergruppen und dem Onlinebanking, das derzeit noch wesentlich schneller und theoretisch auch sicherer in Btx abgewickelt werden kann, sind praktisch alle interessanten Onlineanwendungen ins Internet gewandert.